Napoleons und andere Interessen an Polen

Ziel der Polen nach der dritten Teilung, die im Jahr 1795 vollzogen wurde, war, das Land wieder zu einigen. Dazu unterstützte man Frankreich in der Revolution. Parallel wollte der polnische General Jan Henryk Dąbrowski Preußen auf seine Seite ziehen, um gegen Russland stark zu werden. Das misslang. Ebenfalls misslang der anfangs erfolgversprechende Versuch Adam Jerzy Czartoryskis als Außenminister (und Vertrauter des russischen Zaren Alexander I.) etwa von 1802 bis 1806, diesen strategischen Weg «über Russland» zur Einigung zu beschreiten.

Die Situation war besonders für die in den preußisch besetzten Gebieten lebenden Polen schlecht, während in den russisch besetzten Gebieten die polnische Bevölkerung relativ autonom und wenig eingegrenzt lebte. Polen unterstützte Napoleon auf seinen Feldzügen gegen Preußen. Bereits 1806 waren nach Napoleons Siegen alle Preußen aus den besetzten Gebieten vertrieben. Jedoch revanchierte sich Napoleon nicht gerade mit besseren Bedingungen: Er setzte den «Code Napoleon», sein großes Gesetzwerk (bestehend aus Zivilrecht und Strafrecht, Code civil und Code pénal) zur Stärkung des Vaters in der Familie und vor allem der «Gleichheit vor dem Gesetz», durch. Aber nach dem Tilsiter Frieden von 1807 realisierte er eine «Bauernbefreiung», die die Lebensbedingungen für die Bauern extrem verschlechterte. Sein neu eingeführtes Verwaltungssystem bündelte die gesamte Macht bei einem Adligen, einem Großherzog samt Regierungsapparat. Territorial schuf er zunächst das Großherzogtum Warszawa (Warschau), das mit 2,6 Mio. Einwohnern wirklich nennenswert war - und die Stadt Gdańsk (Danzig) als freie Stadt. 1809, nach dem Frieden von Schönbrunn, wurde Österreichs Teil aus der dritten Teilung dem Großherzogtum Warszawa zugeschlagen.
Napoleons Feldzug gegen Russland wurde von rund 100.000 Polen unterstützt. Nach Napoleons Niederlage regelte der Wiener Kongress die Neuaufteilung auch des polnischen Territoriums - ein großer Teil des Großherzogtums (82 Prozent) wurde zum «Königreich Polen», das auf ewig Russland zugeschlagen werden sollte. Ein kleinerer Teil im Westen (8 Prozent) gelangte unter preußische Herrschaft, Krakau als freie Stadt wurde unter den Teilungsmächten aufgeteilt. Die restlichen 10 Prozent Polens gingen an Österreich.

Im russisch besetzten Gebiet: Aufstände, Fort- und Rückschritte

Insgesamt entwickelte sich die gesellschaftliche Ordnung und die Freiheit der Polen in dieser Situation positiv. Doch ein Aufstand des Militärs, das Bedenken hatte, zur Niederschlagung der Revolutionen in Frankreich und Belgien hinzugezogen zu werden, veränderte 1830 noch einmal einiges. Das Militär überraschte die Russen und nahm Warszawa (Warschau) ein. General Józef Chłopicki übernahm die Führung und versuchte, mit den Russen zu verhandeln. Dies scheiterte aufgrund der Vorstellungen Russlands - Russland wollte nämlich dennoch weiterhin herrschen, ohne einen militärischen Anspruch darauf zu haben. Die polnischen Truppen waren allerdings zunehmend uneinig, besonders die Bauern fühlten Ihre Interessen nicht berücksichtigt und sonderten sich von den polnischen Truppen ab. Daher siegten letztlich doch noch die Russen, auch wenn die Polen im restlichen Europa aufgrund dieses überraschend erfolgreichen Kampfs gegen Russland populär wurden und Sympathien gewannen. Schlecht für die Zivilgesellschaft in Polen: Die gesellschaftlichen und politischen Fortschritte der Zeit davor waren wieder verloren. Im Gegenteil ergriffen die Russen recht drastische Maßnahmen zur Sicherung ihrer Herrschaft: Nachdem der Belagerungszustand 1833 erklärt wurde, wurde 1837 das russische Regierungssystem etabliert. 45.000 polnische Familien wurden nach Russland (hauptsächlich in den Kaukasus und nach Sibirien) umgesiedelt, dafür kamen Russen in die polnischen Gebiete. Damit war das Ziel erreicht, die russische Herrschaft gesellschaftlich zu verankern.
1863 gab es einen weiteren Aufstand gegenüber Russland. Über ein Jahr lang hofften die militärisch unterlegenen Polen auf Eingriffe Preußens oder Österreichs - ohne Erfolg: Preußen und Österreich hatten in dieser Zeit andere Interessen. Nach der Niederlage wurden die Polen im russisch besetzten Gebiet sehr stark bestraft und mit Repressionen belegt. Es gab zahlreiche Hinrichtungen, Anordnungen von Zwangsarbeit, Verschickungen nach Sibirien und in Strafkompanien sowie finanzielle Schädigungen durch Enteignung.

Im preußisch besetzten Gebiet: Allmähliche Angliederung an Preußen - und später gesellschaftliche Entfernung

Im preußisch besetzten Gebiet gab es keine Kämpfe, aber trotz formaler «Liberalität» auch keine nennenswerten politischen oder gesellschaftlichen Fortschritte. Unter Eduard Flottwell, dem dritten Präsidenten des Großherzogtums Pożnan, wurde der Adel geschwächt und im Gegenzug wurden Bauern und Bürger gestärkt. Zahlreiche gesellschaftliche Bereiche wurden germanisiert, zehn Prozent des Großgrundbesitzes wurden an Deutsche verkauft. Der Katholizismus wurde gezielt gestärkt und kleinere Aufstandsversuche wurden unterdrückt. 1848 kam es zu einer Revolution, nachdem die zunächst polenfreundliche Entwicklung bei den Preußen kippte, als Polen politisch und militärisch erstarkte. Die Polen mussten im Mai 1948 kapitulieren. In der folgenden Zeit wurde die politische Einflußnahme der Polen immer weiter zurückgedrängt. Um 1870 begann Bismarck, der der «Polen-Frage» hohen Stellenwert beimaß, einen Kulturkampf: Er wollte Polen vollständig germanisieren, um eventuelle Gefahren aus dem polnischen Nationalismus zu vermeiden. Durch eine falsche Einschätzung der Machtverhältnisse und der geistigen Träger des Landes misslang dieses Vorhaben und erreichte das Gegenteil - es stärkte das polnische Nationalgefühl. Die Kirche etablierte sich, dank der kirchenfeindlichen Aktivitäten Preußen-Deutschlands, wieder als «eigentliche Nation Polens» - eine echte Volkskirche, die zum Symbol der polnischen Nation wurde.

Im österreichisch besetzten Gebiet: Langsame Erholung

Besonders wenig Rechte aber hatten die Polen im österreichisch besetzten Gebiet. Hier herrschte große Unzufriedenheit. Im Jahr 1846 kam es zu einem Aufstand der Bauern gegen die Adligen. Folgend gelang es den Polen, allmählich etwas politischen Einfluß zu erreichen, und die Bauern wurden von den Pflichtdiensten für die Adligen entlastet. Zu mehr bäuerlichen Wohlstand führte das allerdings nicht.
Um 1870 erstarkte die polnische Kultur in diesem Gebiet wieder durch die Bemühungen des Statthalters Graf Agenor Gołuchowski: So wurden die Amtssprache wie auch die Verwaltung und das Schulwesen wieder «Polnisch». Darunter litten allerdings die Ukrainer, die bevölkerungsmäßig beinahe genau so viele Einwohner stellten.