Es ist viele Jahre her, Krakau war noch die Hauptstadt Polens. Die Burg auf dem Berg Wawel in Krakau wurde vom König und Stadtgründer Krak und seiner Tochter Wanda bewohnt. Der König und seine Tochter waren sehr beliebt ob ihrer Gutherzigkeit und Wanda besonders ob ihrer Lieblichkeit. Alle lebten in Frieden und die Stadt stand in voller Blüte. Auch der tüchtige und fleißige Lehrling Dratewka, der Sohn eines Schuhmachers, lebte in der schönen Stadt.
Doch eines Tages zog ein Drache in eine Höhle unter dem Berg Wawel ein. Mit seinen drei Köpfen und den vielen hässlichen Schuppen auf seinem ganzen Körper machte er den Menschen Angst. Doch noch viel schlimmer war, dass er die Menschen tyrannisierte. Er ermorderte unschuldige Bürger, stahl das Vieh und plünderte Hab und Gut. Und wenn er wütend war, tobte er: Dann bebte der ganze Berg mit dem Schloss obenauf und er spie Feuer und Rauch. Niemand wollte, dass er wütend wurde. Er wurde nur dann nicht wütend, wenn die Bewohner der Stadt täglich ein Schaf vor seine Höhle legten. Außerdem musste einmal im Jahr ein junges Mädchen geopfert werden. Da das so auf Dauer nicht weitergehen konnte, versuchten sich zahlreiche tapfere Männer aus der Stadt im Kampf gegen den Drachen. Niemand aber konnte ihn töten oder vertreiben. Die Ältesten der Stadt überlegten lange und zerbrachen sich die Köpfe, wie sie den Drachen loswerden könnten, doch ihnen viel nichts ein. Es kam der Tag, an dem kein junges Mädchen mehr in Krakau war. Nur die Prinzessin Wanda war noch da. Und der Tag, an dem der Drache sein jährliches junges Mädchen erwartete, rückte immer näher. Es war klar: Würde Wanda nicht geopfert, würde der Drache vor Wut die ganze Stadt in Schutt und Asche legen. Um seine Tochter doch noch zu retten, ließ der König im ganzen Land nach einem tapferen Ritter suchen, der den Drachen besiegen könne. Er versprach demjenigen, der ihn töten würde, die Hand seiner Tochter Wanda. Viele Ritter kamen und kämpften, doch alle blieben erfolglos. Die meisten von ihnen wurden von dem schon sehr wütenden Drachen getötet. In ganz Krakau herrschte große Trauer und es bestand keine Hoffnung mehr. Der Schuhmacherlehrling Dratewka ging in dieser Situation zur Audienz beim König und bat um Erlaubnis, auch gegen den Drachen antreten zu können. Der König hörte ihn an und erlaubte ihm, in Sorge um seine Tochter, zu dem Drachen zu ziehen. Dratewka ging zum Metzger und fragte diesen um ein Schafsfell. Er sammelte Schwefel, Pech, Salz und Pfeffer und füllte dieses alles in das Schafsfell, welches er am Ende dicht so zusammennähte, dass es wieder wie ein Schaf aussah. Dieses legte er in der Nacht vor die Höhle des Löwen. Der Drache fraß das Schaf am kommenden Morgen, hungrig wie er war, sofort auf. Er verspürte gleich danach ein unglaubliches Brennen im Magen und suchte Wasser zum Trinken. Die Weichsel war nicht weit, und sein Durst war so stark, dass er fast die gesamte Weichsel leer trank – man konnte den Grund des Flusses sehen. Als er sich vollgetrunken hatte, platzte er mit einem großen Knall. Über diesen gelungenen Trick und den Tod des bösen Drachens herrschte große Freude in der ganzen Stadt Krakau. Dratewka heiratete Wanda, und sie lebten bis an ihr Lebensende glücklich und zufrieden.